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Auch in zentrumsnahen öffentlichen Grünflächen (hier der Frankfurter Hafenpark) wurden durch partielle Reduzierung der Mahd neue Wildblumenwiesen etabliert.

Die Wildwiese im Sinaipark: kurz vor der Mahd im Juni ...

... und nach der zweiten Mahd Anfang September.

Im Höchster Stadtpark: Neu angelegte Wiesen werden mit dem «Hummel-Pin» gekennzeichnet. Der QR-Code führt zu weiteren Informationen über das Projekt.

Auch Strassenrandstreifen (Situation Ende April) als städtische «Restflächen» gehören zum Wildwiesenprogramm. Pflege und Monitoring sind jedoch planungsintensiver.

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Wildblumenwiesen in der Stadt

Mit der Extensivierung von Rasen- und Wiesenbereichen in Parkanlagen, Verkehrs-, Mittel- und Randstreifen oder bei anderen öffentlichen «Restflächen» lassen sich auch mitten in der Stadt und an der Peripherie neue artenreiche Lebensräume schaffen.

Während der letzten Jahre hat die Artenvielfalt in Städten qualitativ zugenommen. Doch zum dauerhaften Erhalt und zur Stabilisierung von Populationen ist eine gewisse Quantität an Grünflächen und deren Vernetzung erforderlich. Einige Städte haben inzwischen begonnen, Programme für die Extensivierung und mosaikhafte Verbindung von Wiesen- und Rasenflächen über das gesamte Stadtgebiet aufzulegen und wissenschaftlich zu begleiten. Die Beispiele aus Frankfurt am Main stehen dabei stellvertretend für eine mögliche aktive Unterstützung der Artenvielfalt. Die Massnahmen der verschiedenen Projekte in der Mainmetropole werden mit Öffentlichkeitsarbeit und Monitoring seit 2016 und auch weiterhin in den Jahren 2021/22 begleitet, um die bereits gestiegene Zahl an Pflanzen- und Tierarten in den neuen «Wildwiesen» zu dokumentieren.

Bestandsflächen und Entwicklungs-potenzial

Die Stadtfläche von Frankfurt am Main beträgt rund 248 km². In der Zuständigkeit des Grünflächenamtes befinden sich rund 1430 ha Flächen (ohne Stadtwald im Süden und Friedhöfe).

Davon sind gut 53 % bzw. 760 ha als «Grünland», also Rasen- oder Wiesenflächen im weitesten Sinne, definiert. Derzeit werden davon etwa 403 ha (53% des Grünlandes) bereits extensiv als Wildwiesen gepflegt. Weitere 32 ha sind im gesamten Stadt-gebiet erfasst und sollen nach und nach ebenfalls extensiv gepflegt werden.

Alle Wildwiesen liegen sowohl in alten Parkanlagen wie dem Huthpark und dem Lohrpark als auch in der freien Landschaft (z. B. auf dem Heiligenstock), an den Ufern des kleinen Flusses Nidda sowie in und an verschiedene Strassen begleitenden Restflächen. Auch auf einigen Friedhöfen wurden schon früher artenarme Rasenflächen zu Wiesen umgestaltet. Auf dem Hauptfriedhof wird heute sogar eine Imkerei betrieben.

Vom Rasen zur Wildblumenwiese

Während Rasenflächen etwa 14-tägig und herkömmliche Wiesenflächen mehrmals im Jahr gemäht werden, benötigen Wildblumenwiesen eine starke Extensivierung. Dies geschieht durch die Reduzierung der Schnitthäufigkeit auf die ein- oder zweischürige Mahd. Gräser und Wildstauden kommen dann zur Blüte, können sich vermehren, ziehen Insekten an und sorgen so für Vielfalt.

Genügt die Reduktion des Mähens alleine nicht, wird durch Säen auf offenen Teilflächen nachgeholfen. Für die Einsaat verwendet das Grünflächenamt ausschliesslich sogenanntes Regiosaatgut mit gebietsheimischen Wildblumen. Es wird vor Ort gesammelt und daraus eine spezielle Mischung für die Stadt Frankfurt erstellt. Auch Initialpflanzungen mit Jungpflanzen aus generativer Vermehrung sind eine mögliche Massnahme. Nicht zuletzt wird auch das Heumulch- / Heudruschverfahren (Saatgutübertragung) angewandt oder eine Kombination aus verschiedenen der vorgenannten Varianten.

Zum richtigen Zeitpunkt mähen

Von Anfang bis Mitte Juni ist traditionell Mahdzeit. Die Wild- bzw. Blumenwiesen haben dann ihre Hauptblütezeit überschritten, die meisten Samen sind ausgereift und viele Insektenlarven und Raupen konnten sich weiterentwickeln. Beim schonenden Mähen, etwa 10 cm über dem Grund, fallen auch Samen zu Boden und fördern eine zweite Blüte bis zum Spätsommer. Falls eine zweite Mahd vorgesehen ist, erfolgt diese Ende August/Anfang September.

Die Mäharbeiten auf grossen Flächen werden häufig in Kooperation mit Landwirten umgesetzt, die das Schnittgut als Futter oder Einstreu nutzen, sofern es nicht durch Müll oder die Hinterlassenschaften von Hunden zu stark verschmutzt ist. Die meisten Wiesenflächen mäht eine Spezialfirma nach Absprache mit dem Grünflächenamt und teilweise nach Beratung durch Biologen und Naturschutzverbände.

Leider ist es nicht möglich, jede Wiese zu ihrem jeweils optimalen Zeitpunkt zu mähen. Vor allem das Pflegemanagement auf den kleinteiligen Flächen im Strassenraum ist aufwendig, sehr abstimmungsintensiv und dadurch teurer als beim herkömmlichen Strassen-begleitgrün. Werden die Wiesenflächen nicht gemäht, wachsen sie sehr schnell mit Gehölzschösslingen zu und verlieren dadurch ihre wichtige ökologische Funktion als Lebensraum für spezialisierte Tier- und Pflanzenarten.

Realisierungshürden

Wie sich eine Wiese entwickelt, ist nicht genau vorhersehbar und hängt ab von Faktoren wie den im Boden vorhandenen Nährstoffen, dem Witterungsverlauf und selbstständig aufkeimenden Pflanzenarten. Bis sich ein halbwegs stabiles Erscheinungsbild einstellt, kann es einige Jahre dauern. Bis dahin ändert sich die Artenzusammensetzung der Wiese ständig.

Die Reduzierung allein auf die Mahdhäufigkeit führt in den wenigsten Fällen zu einer «Wiese». Sehr oft muss der Boden vorher ausgetauscht und/oder abgemagert werden. Meistens ist auch eine Neuansaat erforderlich. Nicht selten übernehmen eine oder wenige Pflanzenarten die Oberhand und verdrängen konkurrenzschwächere Arten. Dem wird durch einen sogenannten Schröpfschnitt gegengesteuert.

Einbindung der Bevölkerung

Projektbegleitende Öffentlichkeitsarbeit, Kooperationen und Weiterbildung bewirken einerseits eine steigende Akzeptanz des naturnahen Erscheinungsbildes in der Bevölkerung. Andererseits wächst auch die Kritik an der Art der Wiesenpflege durch das Grünflächenamt, etwa weil die Nutzung eingeschränkt ist oder manche Allergiker sich den Flächen nicht mehr nähern können.

Infotafeln an exponierten Standorten mit viel Publikumsverkehr in Form von «Hummel-Pins» – ein kleines rundes Schild mit einem QR-Code und dem Insekt als Eyecatcher – stehen nun an etwa 100 Wiesen im Stadtgebiet. Zudem gab die Stadt die Broschüre «Wiesen, Stauden,   Schmetterlinge – Mehr Artenvielfalt in die Stadt» heraus und es bestehen Kooperationen mit Naturschutzverbänden (BUND, NABU) sowie Bürgerinitiativen. Das Grünflächenamt organisiert für seine Auszubildenden ausserdem eigene Seminare zur Wiesenpflege, die in Zusammenarbeit mit dem Verein Umweltlernen (umweltlernen-frankfurt.de) durchgeführt werden. Nicht zuletzt regt das städtische Projekt die Bürgerinnen und Bürger an, selbst Wildblumenwiesen anzulegen, und aus den Reihen der Bevölkerung kommen auch Vorschläge an das Grünflächenamt.

Blick in die Zukunft

Zuletzt wurden sechs neue Flächen im Stadtgebiet angelegt, darunter im Höchster Stadtpark (vgl. Grünräume 1/2020) durch Umwandlung einer Rasenfläche in eine Wiese. Auch im Frankfurter Palmengarten, im Grüneburgpark und im Ostpark entstanden neue «Wildblumenwiesen».

Zur wissenschaftlichen Begleitung und Betreuung der Flächen (Monitoring) ist ein «Wiesenkataster» im Aufbau, das bis 2021/22 stehen soll. Hierbei werden alle Wiesenstandorte digital erfasst und öffentlich zugänglich gemacht. Ausserdem werden die Flächen in das begonnene Arten- und Biotopschutzkonzept des Umweltamtes aufgenommen. Es dient der Verortung, Sicherung und Entwicklung besonders wertvoller Bestands- und Potenzialflächen. |

 

Auswahl teilweise neuer Wiesenarten (am Beispiel Sinaipark)

Krautige Pflanzen: Brennnesseln (Urtica), Löwenzahn (Taraxacum officinale), Distelarten, Gewöhnlicher Hornklee/Schotenklee (Lotus corniculatus), Kerbelarten, darunter Wiesen-Kerbel (Anthriscus sylvestris), Kleearten (Trifolium), Labkräuter (Gallium), Mäuse-Gerste (Hordeum murinum), Mittlerer Wegerich (Plantago media), Spitzwegerich (Plantago lanceolata), Wiesen-Schafgarbe (Achillea millefolium), Wiesen-Storchschnabel (Geranium pratense)
Süssgräser: Honiggräser (Holcus), Trespen (Bromus), Gemeine Quecke (Elymus repens), Windhalm (Apera), Weidelgras (Lolium)    Th. Herrgen

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