In einem 1971 erschienenen, mit eindrucksvollen Schwarz-Weiss-Fotos ausgestatteten Buch des amerikanischen Fotografen Balthazar Korab (1926–2013), der sich immer wieder mit den Themen Architektur, Garten und Landschaft befasste, liest man als Widmung: «Zum Andenken an meine Mutter, die mir die Augen öffnete, einen Baum zu betrachten, eine Blume und einen Regentropfen.» Der Baum und die Blume überraschen weniger, aber die Erwähnung des Regentropfens lässt einen aufhorchen. Das Winzige, das Unscheinbare und nur für einen kurzen Moment Bestehende wird im gleichen Atemzug genannt, wie der uns alle überragende, viele Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte ausdauernde Baum und die Blume, deren Schönheit wohl von jedermann wahrgenommen wird.
Der ersehnte Regen
Nur naturentfremdete Menschen sprechen von schlechtem Wetter, wenn es regnet. Für einen Gartenfreund ist jeder Regentag eine Freude – es sei denn, er hat gerade ein Gartenfest geplant oder der Regen prasselt mit so übermäch-tiger Gewalt vom Himmel, dass er die frische Saat wegschwemmt und empfindliche Blütenstände umknickt. Forstleute und Waldbesitzer ersehnen und lieben den Regen noch uneingeschränkter als Gärtnerinnen und Gärtner. Sie können heute per Tabelle sofort bei jedem Regentag den voraussichtlichen Zuwachs errechnen.
Die Klage über das Ausbleiben des erhofften Regens ist so alt wie das Gärtnern selbst, denn jeder weiss, wie gross die Abhängigkeit von den Niederschlägen ist und welch unglaublich positive Auswirkungen ein paar Regentage haben. Allerdings: Lang andauernde Regenperioden in der Vegetationsphase begünstigen leider Pilzerkrankungen und Schneckenplagen.
Es geht immer um die richtige Mischung von Sonne, Regen und Wind. Wie oft warten wir auf Regen und wie glücklich sind wir, wenn er dann endlich kommt – aber bitte nicht zu heftig und nicht gleich in Begleitung von Sturm und Hagelkörnern. Wie beneidenswert sind jene, die einen sanften Sommerregen unter einem schützenden Pavillondach oder wenigstens einem gut bemessenen Dachvorsprung geniessen können. Der anschliessende Spaziergang durch den vom Regen erfrischten und blank geputzten Garten offenbart unzählige neue Schönheiten. Regentropfen präsentieren sich wie kostbare Perlen auf Blättern, an Blatt- und Blütenstielen. Sie reflektieren das Licht und aus einem gewöhnlichen Blatt wird ein Schmuckstück, das wir bewundern können.
Wassertropfen und Lotoseffekt
Schon allein der einzelne Wassertropfen ist ein bemerkenswertes physikalisches Phänomen. Andere Flüssigkeiten bilden keine vergleichbaren Tropfen. Wasser hat einerseits, aufgrund der starken Oberflächenspannung, physikalisch die Tendenz zur Minimierung seiner Oberfläche, er strebt nach einer Perlenform. Andererseits wirken mehr oder weniger starke Adhäsionskräfte (Anhaftungskräfte), die das Wasser an die Oberfläche binden, auf die es getroffen ist.
Auf bestimmten Oberflächen, etwa den Blättern der Kapuzinerkresse, des Gemüsekohls und des Frauenmantels, oder auf Schmetterlingsflügeln wirken fast keine Adhäsionskräfte – das Wasser perlt einfach ab. Dieses Phänomen nennt man Lotoseffekt, da er bei den Blättern der Lotospflanzen besonders ausgeprägt ist. Der Lotoseffekt wurde in den 1970er-Jahren wissenschaftlich erforscht. Unter dem Elektronenmikroskop zeigen sich die scheinbar sehr glatten Blatt-oberflächen als ein dichtes Nebeneinander von kegelförmigen Wachskristallen oder feinsten Härchen, die ein Anhaften von Wasser unterbinden und das Abperlen verursachen.
Es müsste mehr regnen
Einer der populärsten tschechischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, der in Prag lebende Karel Čapek (1890–1938), veröffentlichte 1929 sein Werk «Das Jahr des Gärtners», eine Sammlung von ironisch-humorvollen Gartengeschichten, die 1932 auch in deutscher Sprache erschienen und noch heute in mehreren Übersetzungen im Buchhandel vorliegen. Nur selten ist ein Gärtner mit dem Wetter zufrieden und Čapek beschrieb dies so: «Mit dem Wetter hat es seine Bewandtnis; es ist nie so, wie man es gerne haben möchte. Es schiesst stets in der einen oder anderen Richtung über das Ziel hinaus. Die Temperatur stimmt nie mit dem Hundertjährigen Kalender überein, entweder hat es fünf Grad darunter oder fünf Grad darüber, Niederschläge fallen entweder zehn Millimeter unter oder zwanzig Millimeter über dem Normalen. Wenn es nicht zu trocken ist, ist es sicher zu feucht.» Immer wieder geht es in den Texten von Čapek um das Wetter und den Satz «Es müsste mehr regnen», der ja auch uns oft über die Lippen kommt.
Künstlicher Regen
Das Museum der Gartenkultur in Illertissen zeigte 2014 eine Ausstellung mit dem Titel «Künstlicher Regen – die Geschichte der Giessgeräte oder: Die Kunst des Giessens». Es wurde nicht nur eine umfangreiche Sammlung von Giesskannen gezeigt, sondern auch historische Beregnungsanlagen. Angesichts dieser Exponate wurde einem bewusst, dass das Gärtnern in den meisten Ländern der Erde immer schon mit der Notwendigkeit künstlicher Bewässerung verbunden war. Schon auf 4000 Jahre alten Wandmalereien der ägyptischen Antike sieht man, wie die Menschen mit Ledersäcken Wasser zu ihren Gemüsebeeten tragen.
In den meisten Regionen unseres Planeten heisst es: Ohne künstliche Bewässerung gibt es kein rechtes Pflanzenwachstum und keinen Ertrag. So ist es auch heute bei unseren Garten- und Freiraumprojekten. Frisch gepflanzte Gehölze werden mit Bewässerungsrohren und Tropfsäcken versehen, in Stauden und Gemüsebeeten werden Tropfschläuche verlegt – zumindest immer dann, wenn man davon ausgehen muss, dass sich nicht regelmässig und zuverlässig jemand um das Wohlergehen der Pflanzen kümmern kann. Rasenberegnungsanlagen mit automatischer Steuerung und Regensensor sind heute im anspruchsvollen Hausgarten und selbst bei begrünten Gleisanlagen der Tram so selbstverständlich wie die Giesskanne im Schuppen des Kleingärtners. Aber die Sorge, dass es wegen Wasserknappheit zum amtlich verhängten Giessverbot kommen kann, schleicht sich bei längeren Trockenphasen auch immer wieder ein. |
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