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(V.l.) Kuratorin Regula Treichler,

(V.l.) Kuratorin Regula Treichler, TCM-Therapeutin Nina Zhao-Seiler und Dr. Evelyn Wolfram, Leiterin der Fachgruppe Phytopharmazie bei der Eröffnung.

Das chinesische Hochland

Das chinesische Hochland ist einer der nachgebauten Lebensbereiche.

Leopardenblume (Belamcanda

Leopardenblume (Belamcanda chinensis), eine der 100 Heilpflanzen.

Lehrgärten sind zeitgemäss,

Lehrgärten sind zeitgemäss, so Institutsleiter Jean-Bernard Bächtiger.

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Erster Garten für chinesische Heilpflanzen der Schweiz eröffnet

Ende August wurde im Campus Grüental in Wädenswil der erste schweizerische Garten für chinesische Medizinalpflanzen eröffnet. Primär zu Lehr- und Forschungszwecken gedacht, ist er auch der Öffentlichkeit zugänglich und soll die Neugier an dieser auf Pflanzen basierten Heilmethode wecken.

Auf dem Campus der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) entstehen seit 30 Jahren die verschiedensten Gärten mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Hoch über dem Zürichsee finden sich auf dem acht Hektaren grossen Campus mannigfaltige
Naturräume und botanische Sammlungen von nationaler Bedeutung. Seit Ende ­August ist der Lehrgarten des Campus Grüental um eine Pflanzensammlung reicher. Auf rund 1000 m2 breitet sich ein Garten für chinesische Heilpflanzen aus. Grundlage für die Zusammenstellung dieser Pflanzen ist die traditionelle chinesische Medizin (TCM). Die Heilpflanzentherapie ist neben der bei uns eher bekannten Akupunktur ein zentraler Bestandteil dieser fernöstlichen Medizin. Über 90 % der in der TCM verwendeten Arzneien sind pflanzlichen Ursprungs. Die dafür verwendeten Pflanzen sind bei uns jedoch praktisch unbekannt. Um diese Pflanzenwelt vor allem Lernenden und Lehrenden für Forschungs- und Bildungszwecke zu öffnen, wurde ein Sortiment von über 100 der am häufigsten zur Herstellung von Arzneien benutzten Pflanzenarten zusammengetragen. Die Gärten sind jedoch auch öffentlich zugänglich und vermitteln über Infotafeln die Lebenszusammenhänge zwischen Pflanzen, Tieren und Menschen.

Weiterer Ausbau geplant

Angeregt wurde der Bau des Gartens von der Schweizerischen Berufsorganisation für traditionelle chinesische Medizin (SBO-TCM). Die Planung hat sich über Jahre hingezogen. Der Garten selbst wurde in wenigen Monaten realisiert, auch dank der Unterstützung verschiedener Partner. «Es war eine Herausforderung, eine thematische Sammlung von Pflanzen aus einem anderen Kulturkreis bei uns sinnvoll zu präsentieren», beschrieb die Kuratorin Regula Treichler die Ausgangslage.

Die Pflanzen hätten nach ihren Wirkstoffen oder ihrer medizinischen Anwendung angeordnet werden können. Da aber ein möglichst langes Bestehen der teils exotischen Pflanzen sichergestellt werden sollte, wurde die Einteilung nach den ökologischen Ansprüchen der Pflanzen vorgenommen. Entsprechend wurden verschiedene Nischen geschaffen, wie Ruderalflächen, Gehölzränder oder trockene und frische Freiflächen. Bemerkenswert ist, dass keine einzige Pflanze des TCM-Gartens aus China stammt. Alle Pflanzen wurden entweder aus Samen herangezogen oder dann bei verschiedenen europäischen Institutionen geordert. Eine wichtige Rolle spielte dabei das Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung im bayrischen Freising, das einen Grundstock zur Verfügung gestellt hat. Die über 100 Pflanzenarten sollen nun kontinuierlich auf über 200 Arten erweitert werden.

Heilpflanzen erfahrbar machen

An der Eröffnung fragte Professor Jean-Bernard Bächtiger selbstkritisch, ob es denn im digitalen Zeitalter einen solchen Lehrgarten überhaupt noch brauche. Schliesslich können heute weltweit Informationen über die Wirksamkeit einer Pflanze zusammengetragen werden. Der Leiter des Instituts für Umwelt und Natürliche Ressourcen der ZHAW sprach sich aber überzeugt für eine Ergänzung zum Onlinelernen aus. «Die Pflanzen sollen als lebendige Wesen erfahren werden können.» Es brauche diese dritte Dimension, welche die Pflanze auf eine andere Weise erfahrbar macht.

Der Garten ist letztlich auch Ausgangspunkt eines Netzwerkes verschiedener Partner, die über konzentriertes Fachwissen verfügen und dieses an Symposien und Diskussionen vermitteln wollen. Die fernöstliche Medizin fand und findet ihren Weg aus dem Schattendasein und gewinnt in Europa weitere Anhänger. Mittlerweile wird sie als Komplementärmedizin auch von den Krankenkassen anerkannt. Die Gärten sollen den Besuchern einen Zugang zu dieser chinesischen Heilpflanzentradition ermöglichen.

Magie oder Wissenschaft?

Die TCM setzt hauptsächlich Bestandteile von Pflanzen als Arzneimittel ein, also Blätter, Blüten, Früchte, Rinden und Wurzeln. In China werden rund 12 000 Arzneipflanzen verwendet. In europäischen TCM-Praxen kommen rund 350 Pflanzenarten zur Anwendung. Die Pflanzen werden selten einzeln verwendet, sondern mit anderen vermischt. Die Mixtur wird dabei für jeden Patienten individuell zusammengestellt. So ergeben sich kombiniert über 400 000 verschiedene Rezepte.

Kritiker behaupten, die TCM basiere nicht auf Wissenschaft, sondern auf Mystizismus und Magie. Als Europäer ist man tatsächlich dazu geneigt, die TCM als Hokuspokus abzutun. Und womöglich verbindet sich mit dem Kräutermischen tatsächlich eine mystische Sehnsucht, die bei uns einst von alten Kräuterfrauen und Hexen gestillt wurde. Zumindest erlaubt sie uns die europäische Medizin zu hinterfragen, die scheinbar nicht mehr vom Wohlbefinden des Menschen, sondern nur noch von der Gewinnmaximierung der Pharma­riesen angetrieben wird.

Dass Gartenpflanzen heilen können, ist unbestritten. Im Campus Grüental findet sich so auch der Einjährige Beifuss (Artemisia annua). Die chinesische Wissenschaftlerin Tu Youyou isolierte in den frühen 1970er-Jahren aus den Blättern und Blüten dieser Heilpflanze den Pflanzenstoff Artemisinin. Dieser wird heute
zur Behandlung der Malaria eingesetzt. Youyou erhielt dafür 2015 den Nobelpreis für Physiologie und Medizin.

Ginseng und Gojibeeren

Auch die europäische Medizin hat ihren Ursprung in Heilkräutern. Bächtiger erwähnte die Gemeine Pfingstrose, die auch als Benediktinerrose bekannt ist und einst in den Klostergärten als Heilpflanze kultiviert wurde. Symbolisch wurde dazu eine Bresche geschlagen zwischen dem TCM-Garten und dem angrenzenden Päoniengarten. Die Pfingstrose hat aber als Heilpflanze heute keine Bedeutung mehr. Anders als die Blüte und die Wurzel des Seidenbaumes (Albizia julibrissin), die beruhigend wirken sollen, oder die Samen des Ginko-Baumes (Ginko biloba), die bei Husten oder Blaseninfektionen eingesetzt werden. Eine der bei uns bekanntesten TCM-Pflanze ist der Ginseng (Panax ginseng). Weiter bekannt sind die roten Gojibeeren und die Früchte des Gemeinen Bockdorns (Lycium barbarum). Diese Beeren gelten als sogenannter Superfood, weil sie eine enorm hohe Nähr- und Vitalstoffdichte aufweisen. Chinesen nehmen sie gegen hohen Blutdruck und Blutzucker, bei Augenproblemen und zur Stärkung des Immunsystems. Für uns etwas befremdlicher heisst es in der TCM, dass damit das Yin erhöht wird. Auf der Web­site (http://tcm-garten.ch) findet sich eine Übersicht der angebauten Pflanzen sowie der daraus gewonnenen Arzneien.

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