Artikel

Der Sommerflieder (Buddleja davidii), einst in Naturgärten als Schmetterlingspflanze begehrt, nun als invasiver Neophyt bekämpft, nutzt jede Ritze. Bild: Markus Kobelt

  • Pflanzenverwendung

Invasive Neophyten – Standpunkte

Der Bund will invasive gebietsfremde Organismen verstärkt bekämpfen. Hierfür schickte er bis September eine Gesetzesvorlage in die Vernehmlassung. Damit haben Gartenbesitzer eine Unterhaltspflicht und müssen Eingriffe zur Bekämpfung invasiver Neophyten dulden. Dies kommt einem Pflanzenverbot gleich, sagt Markus Kobelt, der neue Pflanzen als Chance für die Biodiversität sieht. Der Pflanzenzüchter bekämpft zusammen mit Gartenautorin Sabine Reber die Gesetzesvorlage. Diese Argumente kontert Erwin Meier Honegger, Mitinhaber Gartencenter Meier in Dürnten.  

Invasive Neophyten gelten gemeinhin als Gefahr für die Biodiversität. Nun soll in der Schweiz die Bekämpfung der «gebietsfremden Organismen» mit einem neuen Gesetz verstärkt werden. Es ermöglicht letztlich das Verbot von Pflanzen – bei Strafen von bis zu drei Jahren Gefängnis bei Zuwiderhandlung. Gegen diese verschärfte Verfolgung ausländischer Pflanzen formiert sich nun Widerstand. Denn aus wissenschaftlicher Sicht sind sie eine Chance, um die Artenvielfalt angesichts des Klimawandels zu erhalten. Lubera, europaweit grösster Züchter von Obst- und Beerenpflanzen und einer der grössten Pflanzenversender im deutschsprachigen Raum, engagiert sich – als schweizerische Firma – im Kampf gegen die neue angedachte Gesetzgebung. Das ist keine Frage des Geschäfts. Aktuell hätten wir mit dem geplanten Gesetz kaum Umsatzeinbussen. Es geht um unsere Verantwortung für die Pflanze und um die Zukunft unserer Lebensgrundlage «Pflanze» in einer sich verändernden Welt. Als Züchter und Pflanzenliebhaber sind wir konsequent für mehr Vielfalt. 

Auch der Freiraum des Gartens und die Freiheit des Gärtners und Gartenbesitzers sind für uns ein zentrales Anliegen.  Wir reissen natürlich auch mal eine Pflanze aus, die uns an einem Ort stört. Das nennen wir Jäten. Aber wir versuchen nie, die fragliche Pflanze in ihrer Existenz zu vernichten. Denn Pflanzen sind die Grundlagen unser aller Leben: Wir atmen ihre Luft und ernähren uns von ihnen. Aber genau das will der Bundesrat mit seinem neuen Gesetz gegen «gebietsfremde Organismen». 

Pflanzen zu verbieten, ist eine schlechte Idee. Es ist kein Zufall, dass das Konzept, in Pflanzen vor allem Gefahren zu sehen, erst sehr jung ist und in den USA seinen Ursprung hat. Der «Quarantine Act» des amerikanischen Kongresses kurz vor dem Ersten Weltkrieg brachte erstmals in der Geschichte ein Gesetz, das Pflanzen als Feind und Bedrohung definierte. Die meisten historisch belegten Ausrottungsaktionen gegen Pflanzen endeten wie das Hornberger Schiessen und wie die meisten Kriege: nichts erreicht, nichts gewonnen, viel verloren.

Angesichts des Klimawandels sind wir darauf angewiesen, eine gros­se genetische Vielfalt zu fördern (und nicht nur zu erhalten). Zu einer möglichst grossen Biodiversität tragen auch zugewanderte Pflanzen massgeblich bei. Darum ist es grundverkehrt, diese zu bekämpfen. Wir sollten sie vielmehr als Chance sehen. Dazu kommen grundsätzliche gesellschaftliche und moralische Überlegungen. In anderen Bereichen der Gesellschaft ist rassistisches Denken zu Recht verpönt und verboten. Dass fremde Pflanzen für die Biodiversität schlechter seien als Einheimische, ist ein Grundlagen­irrtum. Alle Studien zum Thema zeigen, dass die einheimische Flora zunimmt und vielfältiger wird, wenn neue Pflanzen von auswärts dazukommen.

Nebst dem unterschwelligen Rassismus stellt sich das Gesetz über Fragen von Ethik und Moral und tastet auch das Privateigentum an. Wollen wir der Verwaltung überlassen zu entscheiden, welche Pflanzen «gut» und welche «schlecht» sind? Da wird eine neue Bürokratie herangezüchtet, die angesichts einer unlösbaren Aufgabe munter vor sich hinwuchern wird. Die als unliebsam definierten Pflanzen werden sich ja kaum an das Gesetz halten, und der Klimawandel lässt sich mit einem absurden Gesetz auch nicht stoppen. Das Gesetz verstösst gegen das Prinzip der Verhältnismässigkeit, denn hier wird das Eigentumsrecht angetastet. Die Behörden können uns befehlen, was vernichtet werden muss. Zudem wird dazu aufgerufen, dass Nachbarn und Passanten die verbotenen Pflanzen melden sollen. Damit wird ein neuer Spitzelstaat herangezüchtet. In meinem Garten will ich neue Pflanzen ausprobieren können, ohne dass ich es gleich mit der Polizei zu tun habe.

Die vorliegende Gesetzesänderung und -ergänzung stellt Kanton und Gemeinden vor systematisch unlösbare Aufgaben und die Bürgerinnen und Bürger selber tragen am Schluss als Landwirte, als Garten- und Hausbesitzerinnen und auch als Mieter die Kosten der untauglichen Massnahmen und der ausufernden Bürokratie. Für allfällige, auch heute schon mögliche Vertriebsverbote von Pflanzen reichen die bisherigen gesetzlichen und verordnungsmässigen Grundlagen aus (Stichwort: Freisetzungsverordnung).

Das Unkraut ist zurück – eine Replik von Erwin Meier-Honegger

Werter Markus, mit Dir lässt sich Empathie und Diskurs besonders eloquent ­zelebrieren. Und so komme ich als Berufskollege natürlich nicht umhin, Deine Einladung anzunehmen, meine Meinung kundzutun. Hurra, das Unkraut ist zurück. So lautet mein Fazit zur nächsten Eskalationsstufe um die Beurteilung von Pflanzen. Wie habe ich mich doch in der Vergangenheit im stillen Kämmerlein geärgert, dass man bei bestimmten Pflanzen nicht mehr von Unkraut sprechen oder – Gott bewahre – sogar schreiben durfte. Nach einer kurzen Übergangsphase via «unerwünschte Begleitflora», war «Beikraut» plötzlich die politisch korrekte Bezeichnung für Unkraut.

Es gibt offensichtlich – und behördlich legitimiert – wieder Unkraut.

Und jetzt wird das Kind endlich wieder beim Namen genannt: Es gibt offensichtlich – und behördlich legitimiert – wieder «Unkraut». Es ist zwar nicht mehr der Katzenschwanz oder die Blacke, neu sind es Kirschlorbeer und Schmetterlingsstrauch. Aber mindestens gibt es endlich wieder einen Konsens, dass Unkraut existiert. Ich bin erleichtert. Nun bist Du, Markus, natürlich ein Frohgemut. Für Dich ist «jedes Unkraut eine Blume», wie es ein finnisches Sprichwort so schön zusammenfasst. Unsere Behörden siehst Du in der Rolle der «Betrübten», die in jeder (nicht einheimischen) Blume ein (potenzielles) Unkraut sehen. 

So ist Unkraut immer eine Frage des Blickwinkels. Unkraut ist ja eigentlich einfach die «richtige» Pflanze am «falschen» Ort. In meinem eigenen kleinen Garten pflege ich diesbezüglich eine grosszügige Anarchie. Fast ein bisschen rebellisch kultiviere ich sogar Pflanzen, die gemeinhin als Unkraut gelten. Erst wenn ich erkenne, dass eine Pflanze die anarchistische Freiheit in meinem Garten schamlos ausnutzt und quasi herrschaftliche Ansprüche stellt, werde ich zum erbarmungslosen Unkrautkiller. Dann ist mir jedes Mittel Recht, um meinen «e pluribus maximus» zu erhalten.

Was sich täglich in meiner eigenen, kleinen Gartenwelt abspielt, wird nun auf eine nationale Ebene getragen. Und auch wenn ich gegen eine (Öko-)Diktatur bin, so lehne ich die völlige Regellosigkeit ebenso vehement ab. Du plädierst für (gärtnerische) Anomie, ich für Anarchie. Meine Frage ist, wer verhandelt über Ordnung. Du lehnst Ordnung generell ab. Und diesbezüglich bin ich nicht mit Dir einverstanden. In einer überforderten Umwelt erlaubt es die von Dir verteidigte Anomie, dass erfolgreiche Pflanzen ihre Nächsten beherrschen. Das widerspricht meinem Anspruch an natürliche Anarchie. Es gilt, gewisse Leitplanken zu definieren und durchzusetzen, damit unsere Umwelt nicht von besonders erfolgreichen Profiteuren terrorisiert wird.

Immer diskursbereit – Dein Erwin Meier-Honegger

Kommentare und Antworten

×

Name ist erforderlich!

Geben Sie einen gültigen Namen ein

Gültige E-Mail ist erforderlich!

Gib eine gültige E-Mail Adresse ein

Kommentar ist erforderlich!

Google Captcha ist erforderlich!

  • Pflanzenverwendung
  • Branche

Die Anpassung der Freisetzungsverordnung beschäftigt die Grüne Branche. Zu den Änderungen, die per 1. September 2024 in Kraft treten, gibt es viele…

Weiterlesen

  • Fachhandel
  • Pflanzenverwendung
  • Garten- und Landschaftsbau
  • Branche

An seiner Sitzung vom 1. März 2024 hat der Bundesrat eine Anpassung der Freisetzungsverordnung beschlossen. Ab dem 1. September 2024 dürfen gewisse…

Weiterlesen

  • Pflanzenverwendung

In diesem Jahr kamen die über 100 Teilnehmenden erstmals aus 19 Nationen – ein neuer Rekord – zu den 16. Winter Days der Internationalen Stauden-Union…

Weiterlesen

  • Fachhandel
  • Pflanzenverwendung
  • Produktion

Bei der Frühjahrsedition der Florall vom 5. März 2024 in den Messehallen der Waregem Expo in Belgien bewarben sich zwölf neue Sorten sowie vier…

Weiterlesen

  • Pflanzenverwendung
  • Stadtgrün

Die Pflanzung einer jungen Traubeneiche markiert das Ziel des 2021 von Stadtgrün Winterthur gestarteten Projektes «1000 Bäume für Winterthur». Der…

Weiterlesen

  • Pflanzenverwendung
  • Buch-Tipp

Ein wenig botanisches Wissen hat noch nie geschadet. Das weiss so manch eine gärtnernde Person. Denn nicht immer ist klar, welche Pflanzen optimal…

Weiterlesen

  • Pflanzenverwendung
  • Auszeichnungen
  • Pflanzen-Tipp

Die Loki-Schmidt-Stiftung hat der Gewöhnlichen Grasnelke (Armeria maritima) für das kommende Jahr den Ehrentitel verliehen.

Weiterlesen

  • Pflanzenverwendung
  • Stadtgrün
  • Auszeichnungen

Mit der Echten Mehlbeere wählte das Kuratorium Baum des Jahres für 2024 eine Baumart, die auf der Liste der Zukunftsbäume für die Stadt steht. Sie ist…

Weiterlesen

  • Pflanzenverwendung
  • Nutzpflanzen
  • Zierpflanzen

Im Gegensatz zur gängigen Praxis, im Frühling zu pflanzen, bietet der Herbst ideale Bedingungen für das Wachstum. Obwohl die oberirdischen Teile der…

Weiterlesen

  • Pflanzenverwendung
  • Stadtgrün
  • Landschaftsarchitektur

Aufgrund seiner Lage begegnen viele Personen beim Spazierengehen dem Bezirksschulgebäude in der Brugger Altstadt, denn seine Umgebung ist ein…

Weiterlesen

  • Pflanzenverwendung
  • Garten- und Landschaftsbau
  • Landschaftsarchitektur
  • Nutzpflanzen

Der ehemalige Hofgarten in St. Gallen gehört zu den in Vergessenheit geratenen Attraktionen der ehemaligen Fürstabtei. Heute, zwei Jahrhunderte nach…

Weiterlesen

  • Pflanzenverwendung
  • Umwelt

Gartenpflanzen Daepp will das Konzept der Klimabäume einem breiten Publikum bekannt machen. Dazu kündigt das Unternehmen Aktionen in Bern, Thun und…

Weiterlesen

  • Pflanzenverwendung
  • Veranstaltungs-Tipp

Zum 25. Mal gehen Mitte Mai in den Höfen und Gärten des ehemaligen Klosters Neustift in Freising die Freisinger Gartentage über die Bühne. Die…

Weiterlesen

  • Fachhandel
  • Pflanzenverwendung
  • Zierpflanzen

Einjährige Wechselbepflanzungen kommen immer weniger zum Einsatz, da sie gemäss Verver Export betreffend Nachhaltigkeit nicht mehr angemessen…

Weiterlesen

  • Pflanzenverwendung
  • Buch-Tipp
  • Nutzpflanzen

Kräuter sind wunderbar. Ob heimische Pflanzen oder solche aus weit entfernten Gegenden – sie sind gesund, aromatisch und nützlich, und sie finden auf…

Weiterlesen

  • Pflanzenverwendung
  • Buch-Tipp
  • Biodiversität

Nicht nur Menschen finden in einem Naturgarten Ruhe und Kraft. Auch für die heimische Tierwelt gibt es verschiedenste Lebensräume, die der Natur…

Weiterlesen

  • Pflanzenverwendung
  • Pflanzen-Tipp
  • Zierpflanzen

Unerträglich heisse Sommertage und schwüle Tropennächte – die hohen Temperaturen plagen nicht nur uns, sondern auch die Pflanzenwelt. Speziell an…

Weiterlesen

  • Pflanzenverwendung
  • Umwelt

Jeder Gartenfreund schwärmt von einem sanften Landregen, und wenn uns dieser nach langem Warten endlich geschenkt wird, sollte sich niemand davon…

Weiterlesen

  • Pflanzenverwendung
  • Umwelt

Jeder Gartenfreund schwärmt von einem sanften Landregen, und wenn uns dieser nach langem Warten endlich geschenkt wird, sollte sich niemand davon…

Weiterlesen

  • Pflanzenverwendung
  • Biodiversität

Eine vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ausgearbeitete…

Weiterlesen

Aktuelle Ausgabe

07/2024

Rapperswiler Tag 2024

Novel Ecosystems – eine Spurensuche

Kraftort Kartause Ittingen

Robert Zollinger – Pionier im Samenanbau
 

Zur Ausgabe E-Magazine

Newsletter Registration

Frau  Herr 

Agenda

Kamelien- und Magnolienblüte
Im botanischen Garten am Lago Maggiore sind ab Mitte März die Kamelien und Magnolien in voller Blütenpracht zu sehen.
Parco Botanico Gambarogno, San Nazzaro TI

Öffnungszeiten: täglich (auch Feiertage) von 9 bis 18 Uhr. Eintritt: Fr. 8.–. Weitere Infos: parcobotanicogambarogno.ch.

15.03.2024  –  30.04.2024
Die Siedlung als Landschaft

Ziel des Seminars von EspaceSuisse ist es, den Teilnehmenden Argumente, Beispiele und Kompetenzen für ihre Freiraumplanung mitzugeben. Sie werden ermuntert, Freiraumqualitäten zu fordern und zu fördern. Dazu werden in Referaten von Landschafts- und Planungsfachleuten sowie auf einem Rundgang durch Aarau Antworten gesucht und diskutiert.
Ort: Naturama, Aarau
Kosten: ab Fr. 350.–.
Weitere Infos und Anmeldung

23.04.2024 08:30  –  16:30
Frühlingsfest und 90-Jahre-Jubiläum der GSH
Gartenbauschule Hünibach, Chartreusestrasse 7, Hünibach

Freitag, 8.30 bis 22 Uhr und Samstag, 9 bis 16 Uhr. Am Samstag Markt und Degustation mit 17 Ständen, Unterhaltungsprogramm, Gastroangebot. 9.30 Uhr: Referat von Susanne Hochuli, Präsidentin Greenpeace Schweiz, zum Thema «Gärten sollen so sein, dass man darin lebt». 10. 30 und 14.30 Uhr: Führungen durch die Gärten und die Lehrwerkstätte.

26.04.2024  –  27.04.2024

Submissionen

Neubau Mehrzweckhalle Bläji, Koppigen
Angebotsfrist: 07.05.2024
Region Schaffhausen
Neugestaltung Kammgarnhof und Neubau Tiefgarage
Angebotsfrist: 17.05.2024