Martin, mehr als 40 Jahre hast Du das Fachmagazin dergartenbau mitgestaltet. Was waren die Highlights?
Ich kann es selbst kaum glauben, auf ein so langes gärtnerisches Berufsleben zurückblicken zu dürfen. Was mir dabei klar geworden ist: Vier Jahrzehnte im Rückspiegel zu überschauen ist viel einfacher, als sagen zu können, was nur schon in den nächsten fünf oder zehn Jahren sein wird. Das eigentliche Highlight war, über all diese Jahre die Grüne Branche möglichst treffend in Wort und Bild zu fassen, den Leserinnen und Lesern näherzubringen und dabei viele vertrauensvolle Kontakte zu knüpfen. Das klingt unspektakulär, trifft aber wohl den Kern.
Welche Situationen waren besonders herausfordernd?
Ich bin ein Mensch, der das Neue sucht, Bestehendes kritisch beleuchtet und «gwundrig» ist, wie andere Menschen an die Sache herangehen. Herausfordernd war, dies dann journalistisch aufzuarbeiten und in den letzten Jahren als Verlagsleiter die publizistischen Angebote zu schaffen, die den Bedürfnissen der Leserschaft entsprechen. So gesehen waren Herausforderungen ein andauernder, positiver Prozess.
Die Gartenbranche hat sich in den letzten 40 Jahren massiv verändert. Was sind aktuelle Themen, die auch künftig relevant für die Branche sind?
Mit dem bereits erwähnten Blick in den Rückspiegel wird deutlich, dass sich das Karussell immer schneller dreht. Das macht es schwierig, vorauszusagen, was sich wie verändern wird und welche Leserbedürfnisse hinzukommen werden. Nur ein Beispiel: Vor zwei, drei Jahren wusste noch kaum eine Gärtnerin oder ein Gärtner, was KI bedeutet. Heute muss man diese Abkürzung nicht mal mehr ausschreiben, weil sie in aller Munde ist. Das Stichwort Künstliche Intelligenz macht deutlich, dass künftig ein Fachmagazin noch viel mehr den Menschen und dessen Fachwissen und in den Fokus rücken muss.
Inwiefern hat sich in diesen Jahren generell das Berufsbild im Garten- und Landschaftsbau verändert?
Dieser Branchenzweig ist regelrecht aufgeblüht und die Gärtnerinnen und Gärtner können sich in verschiedene Richtungen profilieren. Diese Chance haben viele junge Berufsleute gepackt und ihr eigenes Unternehmen aufgebaut. Spannend ist aber auch der Trend, dass immer mehr mittelgrosse Gartenbauunternehmen in Firmengruppen zusammengeführt werden, um so wirtschaftlicher und effizienter zu werden.
Ganz anders sieht es im produzierenden Gartenbau aus. Hier ist seit Jahren eine markante Erosion der Betriebe feststellbar, was sich auch im Fachmagazin dergartenbau widerspiegelt. Der hohe Kapitalbedarf sowie raumplanerische und behördliche Hürden machen es für Berufsleute schwierig, gegenüber dem Auslanddruck standzuhalten. Die logische Folge ist, dass sich der Produzierende Gartenbau immer mehr zum Endverkauf und Dienstleister umorientiert.
Du hast zunächst eine Ausbildung als Topfpflanzen- und Schnittblumengärtner gemacht, dann aber den Weg in den Fachjournalismus eingeschlagen. Warum aus der Wechsel aus der Gartenpraxis in die Medienbranche?
Aufgrund meiner Naturverbundenheit zieht sich das Interesse an Neuem und das Bedürfnis, das gewonnene Wissen weiterzugeben, wie ein Roter Faden durch mein Leben. Als ich in den 80er-Jahren in Dänemark in einer Grossgärtnerei als Junggärtner gearbeitet hatte, sah ich Vieles, das in der Schweiz nicht bekannt war. So begann ich über allgemeine Themen für verschiedene Schweizer Medien zu schreiben und schickte dem damaligen Chefredaktor von dergartenbau, Emil Steiner, eine ganze Liste von gärtnerischen Themen, über die ich dann auch berichten durfte. So ergab sich der Einstieg in den Fachjournalismus. Eine Deiner grossen Leidenschaften ist die Karst- und Höhlenforschung. Was fasziniert Dich daran und gibt es Parallelen zur Arbeit als Verlagsleiter oder Gärtner? Der Rote Faden zieht sich auch hier durch mein Leben. Die Forschung ist für mich besonders bereichernd, weil ich so im wahrsten Sinne des Wortes in Kontakt mit der Erde bin. Ist es nicht spannend, bislang unbekannte Tierarten zu entdecken, Pflanzen in nahezu lichtlosem Umfeld zu beobachten oder in der Klimaforschung Hunderttausende von Jahren zurückzublicken?
Karst- und Höhlenforschung ist Teamarbeit und funktioniert nur dank eines grossen internationalen Netzwerkes von Spezialistinnen und Spezialisten. Die Projektplanung und Zusammenarbeit mit den unterschiedlichsten Menschen, teilweise unter herausfordernden Bedingungen, und die publizistische Tätigkeit ergaben eine wertvolle Wechselwirkung für den Berufsalltag. Diese Tätigkeiten, so nahe an und in der Natur, prägte nicht nur mein Verständnis für die Natur, sondern auch Ehrfurcht und Respekt vor ihr. Sie prägten das Wissen, dass sich die Natur in einem steten Wandel befindet und wir uns als Gast auf Erden verstehen sollten.
Ende September gehst Du in Pension: Wie wirst Du Deine Zeit nach «dergartenbau» gestalten?
Genau genommen gehe ich nicht in Pension, sondern arbeite die nächsten fünf Jahre weiter. Mit dem jetzigen Erreichen des AHV-Referenzalters habe ich die Möglichkeit, meine Passion zum Beruf zu machen. Zahlreiche Projekte, die ich während meinem Hauptberuf in den vergangenen Jahren in meinem Nebenberuf initiiert habe, kann ich jetzt in selbstständiger Tätigkeit fortsetzen und zum Abschluss bringen.
Was wünschst Du Dir für das Fachmagazin dergartenbau?
Er soll sich – wie seit seiner Gründung vor bald 150 Jahren – stetig weiterentwickeln und dabei praxisnah auf die sich rasch ändernden Bedürfnisse der Leserinnen und Leser eingehen.
Martin Trüssel
Martin Trüssel, geboren 1960, ist nach der Lehre als Topfpflanzen- und Schnittblumengärtner und verschiedenen Stationen, z.B. als stellvertretender Verkaufsleiter der Pflanzenvermarktung in einer Gärtnerei, einem Stagieraufentalt in Dänemark und der Weiterbildung zum Betriebsleiter und Gärtnermeister am Oeschberg 1982 in den Verlag dergartenbau eingetreten. Nach fast drei Jahrzehnten als Fachredaktor übernahm er 2011 die Verlagsleitung. In dieser Zeit verantwortete er u. a. den Neuauftritt des Fachmagazins mit Relaunch des Fachmagazins und neuem Webauftritt. Unter seiner Leitung wurde im Rahmen der Fachmesse ÖGA ein Pflanzen-Contest und ein Medien-Award verliehen.
Er koordinierte zudem die Einführung des Magazins GÄRTEN, das seit 2018 gemeinsam mit dem Verlag Eugen Ulmer herausgegeben wird und eine eigenständige Ergänzung zum Fachmagazin dergartenbau ist. Per September 2025 erreicht Martin Trüssel nach über 40 Berufsjahren in den Diensten des Verlags dergartenbau das AHV-Referenzalter. Er wird die nächsten 5 Jahre freiberuflich in der Naturforschung und Publizistik weiterarbeiten.
Judith, im September hast Du die Verlagsleitung von Martin übernommen. Die Medienwelt steckt in einer grossen Krise, der Einfluss von Social Media ist gross, hinzu kommen die Herausforderungen durch KI und das sich grundlegend veränderte Leseverhalten. Wie können sich Fachmedien in solch einem Umfeld behaupten?
Generell herrscht in der ganzen Medienwelt Krisenstimmung. Als Fachmagazin befinden wir uns dabei noch in einer relativ positiven Situation, weil das Knowhow, über das die Branche verfügen muss, bei uns an erster Stelle publiziert wird. Wir gehen an Messen und Tagungen, wo für die Branche essenzielle Weichen gestellt werden, wir sprechen mit den Fachleuten, Lernstätten und Forschungseinrichtungen, um herauszufinden, was die Branche bewegt, welche neuen Produkte auf den Markt kommen, was Trends und Strömungen sind. Eine KI kann das nicht – noch nicht, zum Glück!
Wie wirst Du das traditionsreiche Fachmagazin in die Zukunft führen? Was dürfen die Leserinnen und Leser als Stossrichtung erwarten?
Da kann ich an dieser Stelle noch nicht viel zu sagen. Wir haben einige Projekte am Laufen. Nur so viel: Es wird spannend! Neu schaffen wir beispielsweise eine Mediamatikerstelle, die künftig fürs Layout des Magazins und die digitalen Inhalte verantwortlich sein wird. So hat die Redaktion mehr Zeit, um das zu machen, was sie am besten kann: recherchieren, mit Menschen sprechen, Fachartikel schreiben und das qualitativ hohe Niveau halten, für das dergartenbau bekannt ist.
Welche Themen werden die Grüne Branche in Zukunft bewegen?
Die Klimakrise ist und bleibt das grosse Thema der Zukunft, und damit alles, was mit dem Klimawandel zu tun hat: steigende Temperaturen, Wetterextreme, neue Schädlinge und Pflanzenkrankheiten. Das verdichtete Bauen wird uns in Zukunft sicherlich ebenfalls stark fordern, denn mit den veränderten klimatischen Bedingungen und den damit verbunden Migrationsbewegungen wird es noch enger werden in der Schweiz. Biodiversität und Ökodienstleistungen, Kreislaufwirtschaft, also die Wiederverwertung von Materialien, und geschlossene Wasserkreisläufe werden immer wichtiger werden. Und dann natürlich die Digitalisierung.
Welche Deiner bisherigen Erfahrungen erscheinen Dir für die neue Aufgabe wichtig?
In Kanada habe ich einmal zwei Monate lang in der Wildnis Nord-Ontarios Bäume gepflanzt. Jeden Tag stand ich um 6 Uhr auf dem Feld, habe bis 18 Uhr durchgearbeitet. Übernachtet wurde in Zelten und ein Tag pro Woche war frei. Millionen von Kriebelmücken haben uns fast bei lebendigem Leib gefressen, Bären sind ins Essenslager eingebrochen, Stürme haben das Camp verwüstet. Aber ich habe bis zum Schluss durchgehalten – dies als Beispiel dafür, dass ich, wenn ich mich für etwas entschieden habe, sehr konsequent und beharrlich dranbleibe – und mich auch nicht von Bären abschrecken lasse.
Auf welche Herausforderung freust Du Dich besonders?
Das ist keine Herausforderung, sondern ein positiver Nebeneffekt: Ich freue mich sehr auf die Arbeit im Team! Es sind engagierte, motivierte Leute, die ans Magazin glauben und ihr ganzes Herzblut einbringen, um alle zwei Wochen eine spannende und top-aktuelle Ausgabe herauszubringen.
Judith Supper
Judith Supper, 54, geboren grenznah in Konstanz (D), hat Literatur- und Sprachwissenschaft studiert und studienbegleitend als Landschaftsgärtnerin im Thurgau gearbeitet. Nach 12 Jahren im Gartenbau hat sie sich dem Gartenjournalismus zugewandt, zunächst als Selbstständige, dann als leitende Redaktorin von g’plus (Hrsg. JardinSuisse). Neben zahlreichen freiberuflichen Verpflichtungen als Gartenjournalistin waren die Magazine Freude am Garten, Florist, Schweizer Garten und Pflanzenfreund redaktionelle Stationen. Von 2013 bis 2025 führte sie gemeinsam mit zwei Fachkolleginnen mit Brizamedia einen Medienservice für die Grüne Branche, aus dem sie per August 2025 ausgeschieden ist.
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