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Nur die ältesten und dicksten Bäume weisen eine grosse Anzahl und Vielfalt von Baummikrohabi- taten auf. Bild: Rita Bütler, WSL

Ein Habitatbaum trägt Baummikrohabitate, die für spezialisierte Arten Schutz-, Brut-, Überwinterungs- oder Nahrungsstätten bieten und manchmal sogar für den gesamten Lebenszyklus der Arten unerlässlich sind. Bild: «Taschenführer der Baummikrohabitate»

Der Taschenführer enthält empfohlene Schwellenwerte sowie Informationen über Häufigkeit und Entstehungsgeschwindigkeit eines Baummikrohabitats. Bild: «Taschenführer der Baummikrohabitate»

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Habitatbäume kennen, schützen und fördern

Bäume mit Höhlen, Stammverletzungen, Totholz in den Baumkronen, Wucherungen oder einem Bewuchs mit Efeu bieten Lebensraum für eine Vielzahl spezialisierter Arten. Darum ist es sinnvoll, Bäume zu schützen, die solche Baummikrohabitate aufweisen.

Habitatbäume sind eine Schlüsselkomponente der Waldbiodiversität. Fachleute aus Europa erarbeiteten eine Typologie der Lebensräume (sogenannte Baummikrohabitate), die auf Bäumen vorkommen und für Tausende von spezialisierten Lebewesen unentbehrlich sind. Das «Merkblatt für die Praxis 64» der WSL stellt eine Typologie der Baummikrohabitate vor. Dies ermöglicht es, sogenannte Habitatbäume und ihren ökologischen Wert zu erfassen. Die einheitliche Verwendung der so definierten Formen, Gruppen und Typen dieser Baummikrohabitate erleichtert die Umsetzung von Empfehlungen in der Forstpraxis. Für die Identifizierung und Inventarisierung von Habitatbäumen steht die Smartphone-Anwendung habiapp.ch kostenlos zur Verfügung.

Typologie Baummikrohabitate

Ein Habitatbaum ist ein lebender oder toter, stehender Baum, der mindestens ein Mikrohabitat (sehr kleinräumige oder speziell abgegrenzte Lebensräume) trägt. Die von Larrieu et al. (2018) vorgeschlagene Typologie der Baummikrohabitate ist in einer hierarchischen Struktur organisiert. Die erste Ebene besteht aus sieben Formen, die auf Merkmalen basieren, die für die Artenvielfalt relevant sind:

  • Höhlen im weiten Sinn,
  • Stammverletzungen und frei liegendes Holz,
  • Kronentotholz,
  • Wucherungen,
  • feste und schleimige Pilzfruchtkörper,
  • epiphytische, epixylische und parasitische Strukturen,
  • Ausflüsse.

Diese sieben Formen werden in einer zweiten Ebene weiter in 15 Gruppen und in einer dritten in 47 verschiedene Typen unterteilt. Um in der waldökologischen Forschung die Beziehungen zwischen Arten und Baummikrohabitaten zu untersuchen, können die 47 Typen nach zusätzlichen Kriterien noch feiner differenziert werden (vgl. «Taschenführer der Baummikrohabitate»).

Ökologischer Nutzen und Entwicklung von Habitatbäumen

Mikrohabitate sind wichtige Zufluchtsorte, Brut-, Überwinterungs- oder Nahrungsplätze und können beispielsweise durch eine Verletzung aufgrund von Steinschlag, Blitzeinschlag oder Aktivitäten von Spechten entstehen. Mit zunehmendem Alter und Durchmesser eines Baumes nimmt auch ihre Anzahl und Vielfalt zu und damit ebenfalls sein ökologischer Wert. Wird ein alter Habitatbaum gefällt, braucht es Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte, um ihn gleichwertig zu ersetzen. Deshalb inventarisiert seit mehr als 20 Jahren das «Ancient Tree Forum» mith ilfe der Bevölkerung in ganz England sogenannte «Veteranenbäume», um u. a. deren Schutz zu fördern (ancienttreeforum.co.uk).

Neben Alter und Durchmesser beeinflusst auch die Baumart die Häufigkeit und Vielfalt der Baummikrohabitate. Aufgrund ihrer Physiognomie mit grossen Ästen, die absterben und brechen können, entwickeln Laubhölzer eher schon in jungen Jahren Baummikrohabitate.

Wie lange die Entwicklung von Baummikrohabitaten auf Habitatbäumen dauert, ist sehr unterschiedlich: von wenigen Millisekunden für die Entstehung einer Blitzrinne bis hin zu mehreren Jahrzehnten für die Ausbildung einer Mulmhöhle. Wie lange dieses Habitat für ein Lebewesen nutzbar ist, ist ebenfalls sehr variabel. Ein hauptsächlich im Frühling aktiver Saftfluss des Baumes bietet Käferlarven für wenige Wochen eine Nahrungsquelle. Eine voluminöse Mulmhöhle hingegen  kann spezialisierte Käferpopulationen für mehrere Jahrzehnte beherbergen.

Aufgrund niedriger Entstehungsraten von Habitatbäumen müssen sie schon früh erkannt und erhalten werden. Dafür kommen beispielsweise Pionierbäume sowie Nebenbaumarten mit geringem wirtschaftlichem Wert infrage. |

 

Download

Das «Merkblatt für die Praxis 64» mit dem Thema «Habitatbäume kennen, schützen und fördern» steht auch digital zur Verfügung: wsl.ch/merkblatt.

Ergänzend zum «Merkblatt für die Praxis 64» ist der «Taschenführer der Baummikrohabitate –  Beschreibung und Schwellenwerte für Feldaufnahmen» (Bütler et al. 2020) erschienen (Download). Er beschreibt die 47 Typen von Baummikrohabitaten, die in 15 Gruppen und 7 Formen unterteilt sind. Zudem finden sich hier empfohlene Schwellenwerte für Aufnahmen oder Inventare sowie Informationen über Häufigkeit und Entstehungsgeschwindigkeit jedes Baummikrohabitats. og

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